Zwischen Ketten und Blut II - Unheilvolles Ritual
- kuromorikira
- 6. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen
KIRA
Wir wurden nacheinander im Flur gesammelt. Ebony und Ivory gingen voran. Sie waren schon immer unheimlich. Zwillinge. Nie getrennt. Ebony mit ihrem pechschwarzen Haar, dass ihr halb ins Gesicht fiel und Ivory mit dem kurzen cremeweißen Haar. Sie schauten zu mir. Verächtlich. Sie kicherten.
Dann spürte ich ihn.
Zaagan kam dazu. Nun waren wir alle vollständig. Mehr blieb von uns nicht übrig. Nur wir vier. Wir wurden durch den Flur geführt. Zaagan ging voran. Er war der größte von uns. Sein langes weißes Haar schimmerte unter dem Lampenlicht. Ich ging als letzte. Wir wurden in den Warteraum geführt. So wie es immer der Fall war. Wir gingen durch die Tür. Kein Fenster, war in diesem leeren Raum. Nur die Kälte und die vertraut dicke Luft, die hier herrschte. Es roch nach Blut, Schweiß und Metall.
Uns wurden die Stahlfesseln abgenommen. Wir brauchten sie nicht. Sie waren mehr ein Symbol, das uns daran erinnern sollte, dass wir nicht frei waren. Niemals. Meine Hände zitterten. Um die Handgelenke hatten sich Blutkrusten gebildet. Ich setzte mich in die Ecke, in der ich immer saß. Zog die Beine an mich und legte den Kopf auf die Knie. Ich versuchte das kichern und flüstern der Zwillinge auszublenden und konzentrierte mich auf das Surren der Lampe.
Ich spürte, wie Zaagan sich neben mich setzte. Nah genug, dass sich unsere Schultern fast berührten.
„Hast du Angst?“, fragte er. Seine Stimme war sanft aber mit einem unterschwelligen Zittern.
„Immer.“, antwortete ich. Ein leises flüstern.
„Ich auch.“, wisperte er. Sein Blick auf mich gerichtet.
Ich hob den Kopf. Schaute in seine Richtung. Ich ließ die Hände auf den Boden gleiten und ballte sie zu einer Faust. Er kam etwas näher. Unsere Schultern berührten sich. Die Zwillinge kicherten im Hintergrund. Ich schwieg. Dann legte Zaagan vorsichtig seine Hand auf meine. Meine Finger entspannten sich leicht. Ich drehte die Hand um. Wir verschränkten die Finger ineinander.
„Wir werden es auch dieses Mal überleben.“, sagte er.
Dann hörte ich die dumpfen Schritte aus der Ferne. Elegant, rhythmisch, wie ein Raubtier. Es war Azazel. Das aschgraue Haar nach hinten gekämmt. Der Anzug ließ ihn wie ein Butler wirken - nur dass er etwas viel schrecklicheres war. Seine galante Haltung ließ ihn noch verzerrter wirken. Groß und schmal und doch strömte er unaussprechliche Kraft aus. Er zupfte seinen schneeweißen Handschuh zurecht und schaute uns einen nach den andern an. Seine goldgelben Augen blieben einen Moment auf mir liegen.
Sein Blick durchdrang mich, wie ein Albtraum, der sich in der dunkelsten Ecke deines Verstandes einnistet.
„Heute brauchen wir nur zwei von euch.“, sagte er und trat näher an uns heran.
Zaagan drückte meine Hand fester. Ich erwiderte.
„Ihr beide. Kommt mit.“, sagte er und drehte sich ohne ein weiteres Wort um.
Zaagan ließ meine Hand los. Wir standen auf und wir folgten ihm. Still. Gehorsam. Er führte uns in eine große Halle. Das hier war nicht nur eine Halle. Es war ein Schauplatz vieler grausamen Rituale. Die Luft war dick. Es roch nach Tod und Verzweiflung. Auf dem Boden, an den Wänden - überall waren Blutspuren zu sehen. Mache alt, manche frisch. Von der Decke ragten dicke Metallketten, die beim Vorbeigehen zusammenprallten. Ein lautes, klirrendes Geräusch, das durch Mark und Bein ging. Die Schreie hallten an den Wänden nach. Azazel führte uns zum Runenkreis in der Mitte. Frisches Blut. Alles perfekt vorbereitet. So wie es immer war. Aber etwas war anders, als sonst. Ich wusste nicht was. Es war nur so ein Gefühl.
Es musste kein Ton gesagt werden. Wir wussten. Was jetzt kam. Wir stellten uns nebeneinander auf und hoben die Arme. Azazel holte das Messer. Die Klinge glänzte im fahlen Licht. So scharf, dass sie die Luft zu schneiden schien. Er setzte an. Ein sauberer Schnitt. Ich zuckte nicht. Es brannte fürchterlich und der Schnitt glühte für einen Moment blau auf. Dann folgten weitere. Runen wurden eingeritzt. Eine nach der anderen. Meine Haut brannte - nein, mein ganzer Körper brannte. Ich machte meinen mucks.
Dann war Zaagan dran. Auch bei ihm wurden die Runen eingeritzt. Ich spürte, wie er seinen Körper anspannte. Nicht das kleinste Zucken.
Sie hatten uns gut erzogen.
Mein Blick fixierte sich auf die Blume, die Azazels Anzug zierte. Eine blaue Spinnenlilie. „Nun stellt euch in den Kreis. Die Verbindung wird jetzt vorbereitet.“, befahl er.
Wir stellten uns auf. Gegenüber. Die Runen glühten blau auf, als wir den Kreis betraten. Azazel sprach Worte, die ich nicht verstand. Worte, aus einer längst vergessenen Sprache. Zaagan schaute mich an. Ernst. Aber sein Blick sagte mir, dass wir das durchstehen würden. Die Runen - sie brannten. Es fühlte sich an, als wären meine Arme in Flammen gehüllt. Dann ein Ziehen. Das Blut - mein Blut. Es wurde aus den Runen herausgezogen. Ich schaute zu Zaagan. Bei ihm dasselbe. Ich presste meine Augen vor Schmerz zusammen. Aber ich spürte es. Eine Verbindung. Es war, als würde unser Verstand sich miteinander verweben. Ich sah ihn vor mir. In meinem Kopf - in meinem Sein. Zaagan. Er wollte sich wehren, aber er wurde zu mir gezogen. Ich hielt die Luft an. Dann fielen Schüsse. Azazel verstummte.
Zaagan verschwand aus meinem Kopf. Aber etwas blieb - kaum spürbar, aber doch da. Ich öffnete die Augen langsam. Das Blut, es fiel zu Boden, wie aus einem Eimer. Meine Sicht verschwamm. Mein Kopf pochte. Vom Flur ertönten schnelle, laute Schritte. Unterschiedliche, wie wild durcheinandergeworfen.
“Eindringlinge! Sie haben uns gefunden! Ungeziefer sind hier eingedrungen!”, rief einer und zwei weitere rannten zu uns in die große Halle.
Azazel knurrte.
Dann kam Mephistopheles dazu. “Azazel, das sind diese lästigen Dämonenjäger. Sie haben uns gefunden. was sollen wir jetzt tun?", fragte er.
„Von hier verschwinden. Nimm alles mit, vernichte Beweise. Ich kümmere mich um den Rest.“, raunte er und schaute dann zu uns.
Es brannte eine Wut in ihm, die ich nicht beschreiben konnte. Ich spürte sie mit jeder Faser meines Körpers. Mephisto nickte und verschwand dann mit den anderen wieder im Flur.
“Ihr bleibt hier und wenn auch nur einer von euch verschwindet, dann werdet ihr euch wünschen nie geboren worden zu sein!”, mahnte er und seine goldgelben Augen leuchteten auf.
Seine finstere Mine war fast genauso furchteinflößend, wie die von Mephistopheles. Dann verschwand er auch.
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